Der Aromenfänger
Main-Echo Pressespiegel

Der Aromenfänger

»Gute Geister in der Region«: Walter Rothenbücher ist ein Mann auf der Jagd nach der Vielfalt der Essenzen
SCHÖLLKRIPPEN  Von un­se­rem Re­dak­teur JÜR­GEN OVER­HOFFWal­ter Ro­then­bücher hat ein Schnap­si-Ta­xi. Das ist ein klei­ner weiß-ro­ter E-Flit­zer, mit dem Ro­then­bücher - wie der Na­me es sagt - Schnaps aus­fährt. Sei­nen Schnaps. Brän­de und Geis­te. 22 Sor­ten. Auf die Idee mit dem Schnap­si-Ta­xi kam er wäh­rend ei­ner Kreuz­fahrt. Auf dem Schiff habe der Digestif-Wagen auch diesen Namen getragen. Nicht gleich jedem fällt deshalb ein, sich auch ein Schnapsi-Taxi für die Straße zuzulegen. Nicht jedem. Aber Walter Rothenbücher schon. Er ist ein sprühender Geist. Agil. Vorwärtsstrebend. Er sei ein »aktiver Unruheständler«, sagt der 67-Jährige von sich.
Wohl wahr. Rothenbücher ist ein Typ, der ständig unterwegs zu sein scheint. Geistig, aber auch so. Ein drahtiger Typ mit frischer Gesichtsfarbe. Mit Vorliebe wandert er, fährt Ski und Mountainbike. Das sieht man ihm an.
Ganz von heute
Blue Jeans, weiße Turnschuhe, türkises T-Shirt, blau eingefasste Lesebrille. Ein Mensch ganz von heute. Aufgeschlossen. Modern. Man möchte meinen, dass er aus der großen Stadt kommt.
Aber Walter Rothenbücher stammt aus Schöllkrippen und lebt in Schöllkrippen. Zeitlebens. Rothenbücher. Ein bekannter Name im Ort und im Kahlgrund. Wegen der gleichnamigen Kelterei. Sein Großvater, der Landwirt und Hausmetzger Adolf Rothenbücher, gründete das Unternehmen 1930. Er produzierte im kleinen Stil Apfelwein. Zunächst im Nebenerwerb. Nach dem Krieg übernahm Walter Rothenbüchers Vater Erich die Kelterei im Hauptberuf. Gleichzeitig ging er 1946 mit der Brennerei an den Start. In Lehrgängen hatte er sich das ABC der Verarbeitung von Äpfeln zu Saft und Wein beigebracht. Seine Arbeit trug Früchte. Das Unternehmen wuchs.
Mit der Kelterei aufgewachsen
Walter Rothenbücher ist mit und in der elterlichen Kelterei aufgewachsen. Er erinnert sich, wie er als Kind dem Großvater beim Schüren geholfen hat. Er habe »die Kunst der Destillation eingeatmet«, sagt Walter Rothenbücher. Alles Learning by Doing also. Insofern habe es für ihn auch immer außer Frage gestanden, dass er den elterlichen Betrieb übernimmt. So stieg er als 16-Jähriger nach der mittleren Reife ins Unternehmen ein. Er lernte Industriekaufmann und setzte den Industriemeister mit Fachrichtung Fruchtsäfte und Getränke noch obendrauf.
1992 übernahm Walter Rothenbücher in dritter Generation Verantwortung in der Kelterei und Brennerei. 20 Jahre lang. Dann übergab der Vater zweier Töchter die Kelterei an Christian Stenger, der sie bis heute führt. Die Brennerei betrieb er weiter. Dafür brennt er bis heute. Ein Zitat des US-Literaten William Faulkner, das er auf seine Homepage gestellt hat, spiegelt seine Passion: »Zivilisation beginnt mit Destillation.«
Er strebe danach, erzählt Rothenbücher, die »ganze Vielfalt von Essenzen und Aromen in ihre reinste Form zu bringen und im Glas einzufangen.« Dabei brenne er nicht alles. Nicht jedes Kraut, nicht jede Blüte. Er beschränke sich auf das, was »Sinn macht und schmeckt.« Und das sind nun mal die obstigen Klassiker. Hergestellt aus eigenen und in der Region zugekauften Früchten.
One-Man-Show
Täglich mehrere Stunden verbringt der Aromenfänger deshalb in seiner Brennerei. Natürlich sitzt er nicht nur an der Brennblase oder maischt Früchte ein. Die Brennerei ist eine One-Man-Show. Manchmal nimmt er deshalb auch Platz an dem großen Tisch, über dem eine Lampe aus Schnapsflaschen hängt, die eines Design-Preises würdig wäre. Dort klebt er Etiketten auf die Flaschen. Das sind kunstvolle, traditionell gehaltene Aquarelle aus der Hand seiner Schwester. Dazu die Buchführung, Auch an Auszeichnungswettbewerben nimmt er teil. Mit Erfolg. Davon zeugen die vielen Urkunden an den Wänden der Brennerei.
Ans Aufhören denke er nicht, sagt Rothenbücher. Solange er könne, werde er weiter die Aromen jagen. Sagt es, steigt in sein Schnapsi-Taxi und macht sich auf den Weg ...




30.09.2022
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