Neue Welten im Vertrauten entdecken
Main-Echo Pressespiegel

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Kultur: Kunst-Rundweg »Ausflug ins Ungewisse« zwischen Krombach und Mömbris bis Ende September
KROMBACH  Von un­se­rem Re­dak­teur ALEX­AN­DER BRUCH­LOS »Wenn man hier mor­gens den Son­nen­auf­gang er­lebt, ist es der sc­höns­te Platz weit und breit«, schwärmt Pe­ter Seitz. Der Krom­ba­cher Bür­ger­meis­ter blickt vom Stand­ort Drei Bir­ken hin­ab ins Tal, in das sich die Haus­dächer sei­ner Ge­mein­de sch­mie­gen. Bis Ende September ist der hoch gelegene Aussichtspunkt zwischen Krombach und Mömbris eine von zwölf Stationen des Kunstprojekts »Ausflug ins Ungewisse«.
Entwickelt wurde die Kahlgrund-Kunst-Reise von dem in Wien lebenden Künstler Otmar Wagner, der aus Mömbris-Hauhof stammt. Der Trip ist ein Angebot der Kunstreiseagentur »Reissaus«, die Wagners Kollege Lars Moritz in Mühlheim am Main (Kreis Offenbach) gegründet hatte.
Hintergründige Anweisungen
Läuft man zu Fuß die Stationen des »Ausflug ins Ungewisse« ab, dann dauert es etwa zwei bis zweieinhalb Stunden. Die Stopps sind mit hellblauen Texttafeln aus Aluminium versehen. Wagner beschreibt die von ihm entwickelte Route als »mentalen Fitness-Parcours«. Dabei stehen einige Tafeln in der Tradition der »Instruction Pieces«, wie sie die Künstlerin Yoko Ono in den 1960-er und 70er Jahren entwickelt hat. Zu lesen sind ironische und hintergründige Handlungsanweisungen, aber auch philosophische Textzitate von Philosophen wie Ernst Bloch oder Peter Sloterdijk.
Die Gedanken entfalten in der Natur eine eigene Dynamik, ist Wagner sicher. Der 55-Jährige wertet seine Text-Auswahl als »Kontrast zu anrührenden Kalender- und Stammtischsprüchen«. Es sei kritische Kunst, aber keine, die auf Konfrontation setze. Sie sei vielmehr als Einladung zu verstehen.
Viel Wert habe er auf die Zusammenstellung von Text und Ort gelegt, sagt Wagner. Als gebürtiger Kahlgründer kennt er die Gegend seit seiner Kindheit. Verbunden mit der Kunst kann die Natur ganz neue Horizonte eröffnen, ist er sicher: »Man reist in die Nähe und dennoch in unbekannte Welten.«
Die Route startet am Hauhof. In der Pension von Evelyn Wissel ist gegen eine Schutzgebühr ein Wanderkarten-Set erhältlich, erläutert Wagner. Die Kunst-Wanderkarten sind außerdem in den Rathäusern von Krombach und Mömbris zu erwerben. Ein Set besteht aus zwölf Karten mit Skizzen und Wegbeschreibung.
»Ausflug ins Ungewisse« ist ein Kind der Pandemie, wie alle Projekte der Mühlheimer Reissaus Agency und die Agentur selbst. Es ist ein anderer Tourismus, den Wagner und Moritz mit ihrem Kunstprojekt fördern wollen. Die Massen haben sie nicht als Zielgruppe im Blick. Die künstlerische Kahlgrund-Reise funktioniert nur analog und ist mit dem Erwerb der Wanderkarten verbunden. »Die Standorte werden vorab nicht verraten und sind auch im Internet nicht verfügbar«, sagt Wagner. Ermöglicht wurde das Projekt durch den Fonds darstellender Künste des Bundes-Programms »Neustart Kultur«. Unterstützt wird das Projekt von den Gemeinden Mömbris und Krombach, von Einzelpersonen und Vereinen sowie dem Verein Kulturlandschaft Kahlgrund.
Corona habe den Spessarttourismus beflügelt, betont der Mömbriser Bürgermeister Felix Wissel. Seit dem vergangenen Jahr habe die Zahl der Ausflügler stark zugenommen. Wissels Krombacher Kollege Seitz kann das bestätigen. »Das Konzept passt wunderbar zum nachhaltigen Tourismus, den wir uns in der Region auf die Fahnen geschrieben haben«, sagt Seitz. Er ist überzeugt: Selbst die Kahlgründer kennen nicht alle Ecken ihrer Heimat.

01.08.2021
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